Inhalt

  1. Ziel des Leitfadens
  2. Relevanz der Thesis
  3. wissenschaftliches Arbeiten
  4. Finden einer Fragestellung
  5. Praxis- vs. "Theoriearbeiten"
  6. Erstellen einer Gliederung
  7. Zusammenfassungen
  8. Richtig zitieren
  9. Beliebte Fehler
  10. Plagiate
  11. Software
  12. Weiterführende Literatur
  13. relevante Lehrveranstaltungen

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Praxis- vs. "Theoriearbeiten"

(:toc Auf dieser Seite: :)

Der Begriff "Theoriearbeit" ist irreführend

Viele Studierende entscheiden sich dafür, ihre Abschlussarbeit in sehr enger Zusammenarbeit mit einem Unternehmen zu schreiben, das sie vielleicht schon aus der Praxisphase kennen. Studierende, die kein passendes Unternehmen gefunden haben, sitzen in unseren Sprechstunden und möchten eine "Theoriearbeit" schreiben. Unser Eindruck ist, dass das aus Sicht der Studierenden meistens nur eine "Notlösung" ist. Sie haben sich für ein praxisorientiertes Studium entschieden und da kann eine "Theoriearbeit" bestenfalls zweite Wahl sein.

Diese Sichtweise ist irreführend und unnötig demotivierend. Was die Studierenden eigentlich meinen, ist eine Arbeit, die eben nicht in enger Zusammenarbeit mit einem Unternehmen geschrieben wird. Das ist aber etwas anderes als eine "Theoriearbeit". Eine "Theoriearbeit" würde sich ausschließlich mit einer Theorie auseinandersetzen und bestenfalls ganz am Rande einen Praxisbezug aufweisen.

Ein solches Thema könnte lauten:

Ansätze von Prozesskostenrechnung im Werk Eugen Schmalenbachs

Das ist ein schönes Theoriethema. Sie haben einen theoretischen Ansatz (Prozesskostenrechnung) und einen Betriebswirt (einer der "Großen" in der ersten Hälfte des 20. Jhr.) und schauen nun nach, ob der mal irgendwas geschrieben hat, das zumindest entfernt an Prozesskostenrechnung erinnert. Für ein solches Thema müssen Sie die Bibliothek nie verlassen und auch nie eine Tageszeitung aufschlagen. Die Aktualität dieses Themas ist heute noch genauso hoch, wie sie vor 10 Jahren war und wie sie in 10 Jahren sein wird.

Eine solche Arbeit werden Sie am RAC eher nicht schreiben, weil Sie keinen Betreuer dafür werden gewinnen können und weil kein Betreuer solche Themen in der Schublade liegen hat und sich freut, dass Sie kommen und nach einem Thema fragen.

Lassen Sie uns statt des irreführenden Begriffs "Theoriearbeit" lieben "Arbeiten in Eigenregie" verwenden. Dieser Begriff macht klarer, wo der Unterschied liegt.

Vorteile von Arbeiten in enger Kooperation mit Unternehmen

Unser Eindruck ist, dass Arbeiten, die in enger Kooperation mit Unternehmen geschrieben werden, aus Sicht der Studierenden zwei große Vorteile bieten:

  1. Mit der Arbeit kann man versuchen, in diesem Unternehmen arbeitsplatztechnisch einen Fuß in die Tür zu bekommen. Tatsächlich ist die "Karriere" Erst Praxisphase, dann Thesis, dann Festanstellung in einem Unternehmen recht verbreitet.
  2. Viele Unternehmen haben Listen mit Themen, die sie gern bearbeitet sehen würden. Aus Sicht der Studierenden spart man sich damit die Arbeit des Findens einer Fragestellung, weil das Unternehmen ja die Fragestellung definiert.

Besonders der zweite Vorteil kann aber auch leicht zu einem gravierenden Nachteil werden, wenn Sie nicht "aufpassen".

Gefahren von Arbeiten in enger Kooperation mit Unternehmen

  1. Mangelnde Bearbeitbarkeit der Fragestellung Sie müssen sich vor Augen halten, dass die Motivation des Unternehmens nicht darin besteht, Ihnen ein tolles Thema zu "schenken", sondern darin, dass es ein Problem oder eine ungelöste Frage im Unternehmen gibt, und man Sie nun damit beauftragen will, diese Frage/dieses Problem zu lösen. Ihr Ansprechpartner im Unternehmen hat sich über die Frage, wie man die Frage/das Problem lösen soll, vermutlich wenig bis keine Gedanken gemacht. Er hat das Problem. Sie sollen es lösen. Wüsste der Ansprechpartner schon, wie das Problem zu lösen ist, bräuchte er Sie vermutlich nicht. Als Konsequenz gibt es immer wieder Fragestellungen, die ganz toll klingen, aber nicht bearbeitbar sind, weil
    1. die Fragestellung viel zu umfangreich ist, um in der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit bearbeitet zu werden (z.B. Entwurf, Implementation und Evaluation eines QM-Systems in der UnrealistischeAnforderungs GmbH
    2. die Fragestellung überhaupt nicht bearbeitbar ist, weil die Informationen fehlen.
  2. Mangelndes Niveau der Fragestellung Immer wieder gibt es Unternehmen, die Studierende als billige Arbeitskräfte für Fleißaufgaben suchen. So könnte es Ihnen beispielsweise passieren, dass sich hinter dem toll klingenden Thema "Aufbau eines CRM-Systems in der Ausbeuter AG" tatsächlich der Job verbirgt, Kundenadressen zu überprüfen und einzugeben und Branchendatenbanken nach potentiellen Kunden zu durchsuchen. Das ist bestimmt viel Arbeit, aber keine Arbeit, mit der Sie in einer Abschlussarbeit Lorbeeren verdienen können. In der Abschlussarbeit sollen Sie zeigen, was Sie fachlich/analytisch können und nicht, dass Sie Routinearbeiten fleissig und diszipliniert durchnudeln können. Sie können natürlich versuchen, das in der Arbeit zu verschleiern, aber Ihre Gutachter sind nicht doof und merken das wahrscheinlich und benoten Ihre Arbeit dann entsprechend.
  3. Keine Ergebnisoffenheit Es kann Ihnen passieren, dass Sie als Studierender, der ein Thema bearbeitet, das Ihnen vom Unternehmen gestellt wird, die Figur in einem Spiel sind, das Sie nicht durchschauen. Ihre Aufgabe aus Sicht des Unternehmens ist dann nicht, die Frage zu bearbeiten, sondern zu einem bereits feststehenden Ergebnis zu gelangen. Ihre Arbeit hat dann nur die Funktion, eine bereits getroffene Entscheidung zu legitimieren und dem unternehmensinternen Auftraggeber Argumente zu liefern. In der Mehrzahl der Fälle ist die Entscheidung, die bereits feststeht, nicht die beste Entscheidung (oder mindestens eine fragwürdige) - denn: Wozu bräuchte man sonst Ihre "Munition"? Auch hier manövrieren Sie sich leicht in eine Zwickmühle. Wenn Sie das tun, was Ihr Auftraggeber will, dann wählen Sie Ihre Vorgehensweise und die Fragen, die Sie stellen, so, dass das gewünschte Ergebnis herauskommen muss. Das mag für Ihren Auftraggeber im Unternehmen funktionieren. Vielleicht kann der seine unternehmensinternen Gegner so über den Tisch ziehen. Mit Ihrem Gutachter wird das wahrscheinlich nicht funktionieren, weil der ziemlich gut darin ist, solche Tricks zu erkennen. Der stuft dann Ihre Arbeit wegen methodischer Mängel einige Notenstufen herab.
  4. Geänderte Großwetterlage Für Sie ist das Schreiben einer Abschlussarbeit Neuland. Für viele Unternehmen, bzw. viele Ansprechpartner im Unternehmen auch. Es kann Ihnen passieren, dass der Ansprechpartner ein Thema vergibt, das er unternehmensintern nicht abgeklärt hat. Vielleicht ist das Thema inzwischen nicht mehr aktuell, vielleicht stößt das Thema in anderen Unternehmensbereichen auf Sensibilitäten, die Ihr Ansprechpartner nicht kennt oder nicht wahrnehmen will. Vielleicht verlässt Ihr Ansprechpartner auch im Verlauf der Arbeit das Unternehmen oder wechselt auf eine andere Stelle und steht nicht mehr zur Verfügung. Sie können sich also nicht notwendigerweise darauf verlassen, dass das Unternehmen Ihnen die anfangs versprochene Unterstützung auch tatsächlich zukommen lässt. Bzw. in dem Zeitplan zukommen lässt, der anfangs abgesprochen worden ist.

Diese Auflistung ist sicherlich nicht vollständig, deckt aber die häufigsten Probleme ab, die wir bei dieser Art von Abschlussarbeit beobachten. Mit diesen Punkten wollen wir Ihnen nicht die Lust auf ein Thema, dass in enger Kooperation mit einem Unternehmen geschrieben wird, vermiesen, sondern Sie dafür sensibilisieren, dass auch ein solches Thema "zickig" sein kann und Sie bei der Kooperation mit einem Unternehmen ein waches Auge darauf haben sollten, wie die Interessenlage des Unternehmens aussieht.

Nachteile von Arbeiten in Eigenregie

Ganz klar: Wenn Sie niemanden haben, der Ihnen eine Fragestellung ins Heftchen diktiert, müssen Sie selbst eine finden. Das ist Arbeit. Aber weniger Mehrarbeit, als es zunächst scheinen mag. Wie bereits beschrieben müssen Sie auch eine Fragestellung, die jemand an Sie heranträgt, auf Niveau und Bearbeitbarkeit hin abklopfen.

Vorteile von Arbeiten in Eigenregie

Mit einer Arbeit in Eigenregie haben Sie deutlich mehr Unabhängigkeit. Sie müssen nicht darauf Rücksicht nehmen, ob die Schlüsse, die Sie in Ihrer Arbeit ziehen, "politisch erwünscht" sind.

Trotzdem müssen Sie nicht Abstriche beim Praxisbezug machen.

Nehmen wir an, Sie fassen das Themengebiet "Absatzpotentiale für landwirtschaftliche Erntemaschinen in Osteuropa " ins Auge (um ein Gebiet zu wählen, dass Sie (und ich) vermutlich nie wählen würden ;) -- Relativ zügig finden Sie dann heraus, dass einer der Weltmarktführer seinen Hauptsitz bei Gütersloh hat und Sie finden auch heraus, dass die Universität Bonn eine landwirtschaftliche Fakultät und ein Institut für Landtechnik hat. Dort könnten interessante Gesprächspartner sein. In Reichweite.

Letztlich könnte die Arbeit, die Sie in Eigenregie gestartet haben, zu Unternehmenskontakten führen, die (unter Karrieregesichtspunkten) wertvoller sind als die, die Sie über eine Bewerbung auf ein Thema auf der Internetseite des Unternehmens bekommen.

Fazit: Entscheidend ist, was Sie daraus machen

Die Frage, ob eine Arbeit, deren Impuls von einem Unternehmen ausgeht praxisrelevanter und karriereförderlicher ist als eine Arbeit in Eigenregie, hängt im Wesentlichen von Ihnen ab.

Der Aspekt der Arbeitsersparnis durch die Übernahme eines "fertigen" Themas ist bestenfalls gering, weil Sie, wenn Sie das vom Unternehmen vorgeschlagene Thema nicht gründlich abklopfen, große Gefahr laufen, sich monatelang mit einem Schrottthema abzuquälen, bei dem nichts gescheites heruaskommen kann.


letzte Änderung der Seite: August 11, 2010

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